Über einen Besucherrekord in der Geschichte des Festivals staunten die Veranstalter aus der evangelischen Kirchengemeinde und der Musikkiste Groß-Rohrheim. „So viele Gäste hatten wir noch nie“ berichtete Eberhard Petri, Kirchenvorstand, Musikkistenmitglied und Jazzenthusiast, erfreut. Etliche Jahre fand das Jazzfestival in Groß-Rohrheims evangelischer Kirche als „All Night Jazz“ statt, nach einer Idee von Konrad Knolle, und trotz aller Liebe zu Musik, die ganze Nacht durchzuhalten war eine Herausforderung. Seit drei Jahren gibt es das neue Format: Jazzparty von 15.00 bis 23.00 Uhr mit hochkarätigem, abwechslungsreichem Programm. Wie gehabt, sowohl Amateure als auch Profis teilen sich die Bühne vor dem Altar. Damit das Publikum auf den harten Kirchenbänken durchhält, gibt es Kaffee und Kuchen am Nachmittag und kleinen Häppchen zu Bier und Wein am Abend. „Das neue Konzept wird gut angenommen“ freute sich auch Ulrike Wollny, Dirigentin des evangelischen Kirchenchores. “Ihr“ Chor eröffnete mit rund 30 Sängerinnen und Sängern den Herbstjazz und begeisterte das Publikum mit einem swingenden Mix aus Spirituals, traditionellen und modernen Liedern in jazzigem Gewand und zwei Stücken aus der „Little Jazz Mess“ von Bob Chilcott. Eine Herausforderung, die der Chor blendend gemeistert hat.

Nach so viel Energie ging es ruhiger weiter, Ohren spitzen war angesagt. Ganz frei kommunizierten Gitarre, Kontrabass und Bassklarinette im Spiel von „Three Four Free“ miteinander. Ihr Spiel lebt von Kreativität und Improvisation, und spontan war für die erkrankte Cellistin auch John Stowell, der später am Abend noch einmal auftrat, mit Gitarre eingesprungen. Spontanität vom Feinsten, nicht nur musikalisch. Mit den Stücken des „P-Trio“ ging es genauso relaxt weiter. Inspiriert von Naturgeräuschen und der Stimmung eines Sommers in der Bretagne waren die einzigartigen Stücke für das ungewöhnliche Trio aus Gitarre, Querflöte und Kontrabass mit Titeln wie „Ebbe“, „Steine“ oder „Gegenwind“.

Die Band „CON:FUSION“ braucht sich in Rohrheim eigentlich nicht vorstellen, denn schon von der „Offenen Bühne“ sind die Musiker aus dem Odenwald und von der Bergstraße bekannt. Mit ihnen wurde es lauter und noch dynamischer in der Kirche:  Ihre Liebe zur Fusion Music, zu jazzig rockigen Grooves und die starke rhythmische Begleitung ließen die Füße der Zuhörer und Zuhörerinnen zappeln.

Genauso energiereich ging es weiter mit Bassistem Norbert Dömling und Akkordeonisten Martin Wagner. Das Duo begeisterte das Publikum von den ersten Klängen an. Voller Spielfreude, mit ungewohnten Klängen, wild und virtuos, dann wieder sanfter und mit Anklängen an französische Chansons oder argentinische Tangomusik zogen die beiden Ausnahmemusiker die Zuhörer in ihren Bann.

„Quartertone“ im Anschluss überzeugten durch ihre modernen, harmonischen und groovigen Eigenkompositionen, großartige Interaktion und herausragende solistische Leistungen. Die jungen Musiker sind alle erst um die 20 und lernten sich als Mitglieder des Landesjugendjazzorchesters Hessen kennen. Kurze Zeit später spielten sie schon bei den renommiertesten Jazzfestivals in Deutschland. Und auch das Rohrheimer Publikum war begeistert.

Letzter Programmpunkt des Abends war der Auftritt des Duos Janice Dixon (Gesang) und John Stowell (Gitarre). Seit sie sich 2013 bei der Groß-Rohrheimer „All Night Jazz“ kennengelernt und eine spontane Session miteinander gespielt haben, freuen sie sich auf Möglichkeiten zusammen zu spielen. Stowell, einer der besten Jazzgitarristen der Welt, und die Sopranistin, die an vielen großen Opernhäusern zuhause war, bevor sie sich jetzt dem Jazz verschrieben hat, harmonieren perfekt miteinander und ihre Spielfreude und Enthusiasmus übertrug sich auch aufs Publikum. Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht lauschte man etwa Janice Dixons eigenwilliger Version des „Girl (Boy) von Ipanema“, die es so sicher noch nie irgendwo zu hören gab. Die Geschichten zu den ausgewählten Songs waren fast so interessant wie Dixons virtuose gesangliche Darbietungen. John Stowell begleitete perfekt auf seine unaufdringliche und präzise Art, zusammen schufen sie fantastische und neue Interpretationen klassischer Jazzstandards.

Rund 150 Gäste hatte diese schöne Veranstaltung, die die Kirche zum Klingen gebracht hat.

Am nächsten Tag fanden im Jugend- und Gemeindehaus der Kirchengemeinde vierstündige Workshops mit den Künstlern Stowell, Dömling und Dixon statt. Auch dieses (sehr preisgünstige) Angebot wurde gut besucht. Auf das nächste Jazz Event 2024 kann man gespannt sein.