Konzert: Publikum im Anbau der Groß-Rohrheimer Bürgerhalle hört vier Stunden lang Gitarrenmusik auf hohem Niveau

Drei Cuntz-Gitarren, drei Stühle, drei Sänger und Gitarrenspieler – zum zauberhaft-brillanten Finale stieg Gitarrenbauer Andreas Cuntz mit Martin Harley und Petteri Sariola auf die Bühne. Tosender Applaus begleitete den Aufmarsch der faszinierenden Bau-, Spiel-, Sing- und Zaubertechniker und das mit Recht. Denn sie setzten mit „Ol’ 55“ von den Eagles am Freitagabend ein dreistimmiges Finale nach gut vier Stunden Gitarrenzauber im proppenvollen Anbau der Bürgerhalle.

Nur noch getoppt wurde diese Darbietung durch die Session, bei der alle Musiker auf die Bühne kamen und einen Mix aus all ihren Stilen, unterschiedlichen Instrumenten und Stimmen zu einem harmonischen Titel zusammentrugen.

Zum zweiten Mal war es Andreas Cuntz gelungen, „seine“ Gitarrenstars zu einem Konzertreigen im Nachgang der Musikmesse in Frankfurt zu gewinnen. Zu Cuntz’ Leidwesen war Roland Joubert erkrankt und konnte das Publikum nicht – wie im vergangenen Jahr – mit seinen eingängigen Melodien, der samtweichen Stimme und seiner Performance in den Bann ziehen.

Kurzerhand ließ sich das King-Baumgardt-Duo, das am Vortag in Offenbach zum ersten der drei Konzerte mit auf der Bühne stand, auch für Groß-Rohrheim engagieren. Mit dem krassen Kontrast zu den hochwertigen Hand gearbeiteten Cuntz-Gitarren, spielte Matthias Baumgardt auf einer Flohmarkt-Gitarre, die gerade einmal fünf Euro gekostet hatte. April King aus Louisville (Kentucky) sang mit Rauchtimbre und Countrytakt dazu. Mit den Ausnahmeinstrumenten des Gitarrenbauers aus Groß-Rohrheim gingen Sariola und Harley während des Auftrittes nicht gerade zimperlich um. Man hätte denken können, die aus schönsten Holzarten geformten Gitarren müssten von Kratzern übersät sein – aber nein: Auch als Sariola seinen ganz eigenen innovativen Slam-Stil zelebrierte, trommelnd, tappend und slappend auf einer CWG23, der Gitarre mit limitierter Auflage, die zum zehnten Geburtstag der Gitarrenwerkstatt entstanden ist, nahm das Instrument keinen Schaden.

Mit vollem Körpereinsatz entlockte der 23 Jahre alte Finne seiner Gitarre Klänge von Echoklang über Bass bis Percussion plus Melodie. Es war ein Hörerlebnis der ganz besonderen Art – einmal zart und balladenhaft, ansatzweise zu erkennen „Last Christmas“ von George Michael, und andere bekannte Lieder, und dann übergangslos rockig und schlagbetont – das Publikum im Alter von knapp zwei Jahren bis ins Seniorenalter fand es super und fragte sich bisweilen „wie macht er das?“

Der „junge Wilde“, der mit seiner Gitarre zu einer Einheit zu verschmelzen scheint, erhielt endlos langen Applaus und fordernde Pfiffe, bis die erhoffte Zugabe kam. „Ihr seid meine Freunde“, freute sich Sariola, und fand: „Das war es wert, nach Deutschland zu kommen.“ Gut, dass es nach jedem Auftritt eine Pause gab, zum Füße vertreten, Frischluftschnappen und über das Gehörte reden und fachsimpeln, denn jede Menge Musiker waren nach Groß-Rohrheim gekommen, um die Stilspezialisten zu sehen und zu hören. Die Aussage „ich wusste gar nicht, dass eine Gitarre solche Töne machen kann“, war während des Ausnahmeevents häufig zu hören.

„My new friend on stage“ rief Sariola und schaffte damit den nahtlosen Übergang zu Martin Harley. Dann kam „er“, Martin Harley himself, der beste Einzelkünstler des Jahres 2006, der auch in Groß-Rohrheim wieder mit dem perfekten Slide-Spiel verzauberte. Zuerst jedoch setzte er sich neben den jungen Kollegen, legte sich die Weissenborn-Gitarre im Hawaiistil auf die Knie, und die beiden Virtuosen, ein jeder in seinem Stil schafften eine Harmonie der grundverschiedenen Spielarten, die restlos in den Bann zog.

Von Bob Dylan inspiriert erklangen Balladen. Einige Songs, die Harley bereits 2007 dabei hatte, waren im Programm. Aber live reinhören in neue Lieder, die demnächst auf CD verewigt werden, war auch drin. „Chocolate Jesus“ und „Money don’t matter“ gehörten zu den Bekanntesten.

Hand in Hand verabschiedeten sich die Zauberer des Abends und sagten einhellig: „I loved it“.

Die Musikkiste als ausrichtender Verein hatte beworben, bewirtet und alles wieder aufgeräumt, damit von der großen Musikparty nach wenigen Stunden nur noch der Nachklang in den eigenen Ohren zurückblieb.

Sabine Weidner 18.03.2008